15/3/2015
Von Peter Tiede
Im BILD-Interview fordert der Marxist Costas Lapavitsas (54): Griechenland sollen ALLE Schulden erlassen werden. Dafür verspricht er einen „geordneten“ Rückzug Athens aus der Eurozone
Er ist bekennender Marxist, einer der wichtigsten Berater von Griechen-Regierungschef Alexis Tsipras (41), und er fordert den schnellen Ausstieg seines Landes aus dem Euro („Grexit“): Costas Lapavitsas (54), Abgeordneter im griechischen Parlament für das regierende Linksbündnis „Syriza“.
Im BILD-Interview schockiert er mit der Forderung nach einem kompletten Schuldenerlass für sein Land. Das sei die Voraussetzung für den „Grexit“, meint der Professor für Ökonomie an der Universität London, Wirtschafts-Kolumnist beim angesehenen britischen „Guardian“.
„Eurozone war ein historischer Fehler“
BILD: Herr Lapavitsas, warum wollen Sie, dass Griechenland die Eurozone verlässt?
Costas Lapavitsas: „Die Eurozone war ein historischer Fehler. Das hängt mit der deutschen Lohnpolitik zusammen. Entgegen der weit verbreiteten Meinung hat die Eurozone – mit Ausnahme vielleicht der Beschäftigungszahlen – der deutschen Bevölkerung keine Vorteile gebracht. Eure Einkommen, eure Reallöhne und eure Arbeitsbedingungen sind 15 Jahre lang gleich schlecht geblieben. Wenn die Eurozone also ein Fehler war, dann müssen wir danach fragen, was das für schwächere Länder bedeutet. Und für Griechenland bedeutet das logischerweise den Austritt nach fünf Jahren Tortur.“
BILD: Wie soll das gehen?
Lapavitsas: „Zunächst muss die Sparpolitik beendet werden. Diese Politik haben wir fünf Jahre verfolgt. Aber diese Politik ist gescheitert. Außerdem haben wir gesehen, dass es unmöglich war, die Politik in der Eurozone anzugleichen. Deshalb ist für mich der beste Weg ein Austritt aus der Eurozone. Das muss allerdings im Konsens mit der EU und geordnet erfolgen. Keine Turbulenzen, kein Kampf, kein Blut auf dem Teppich.“
„EZB muss den Wechselkurs stützen“
Lapavitsas: „Der Preis des Austritts ist ein Schuldenschnitt. Der ist unabdingbar für unser Land. Und damit der Austritt in geordneten Bahnen verläuft, muss die EZB den Wechselkurs und die griechischen Banken stützen. Die Kosten dafür sind zu vernachlässigen.“
BILD: Wie „zu vernachlässigen“? Die Wechselrate fällt dann doch ins Bodenlose?
Lapavitsas: „Natürlich wird der Wechselkurs fallen – aber er sollte nicht so weit in den Keller sacken, dass das zum Kollaps führt.“
BILD: Und die Banken?
Lapavitsas: „Die griechischen Banken sollten so lange unterstützt werden, bis unsere Zentralbank wieder liquide ist. Für mich ist das die optimale Lösung.“
BILD: Was würde das für die griechische Wirtschaft und die Bevölkerung bedeuten?
Lapavitsas: „Griechenland kann aus dem Euro austreten und sollte aber trotzdem unbedingt Mitglied der EU bleiben. Natürlich wird es eine Phase der Anpassung, eine Phase mit zwei Währungen und zwei Preisen geben – die lokale Währung und den Euro. Aber nach und nach wird die neue Währung dominieren, wenn der Staat in dieser Währung Steuern erhebt und bezahlt.“
BILD: Wann würde sich die griechische Wirtschaft erholen?
Lapavitsas: „In wenigen Monaten. Es gäbe schnell wieder eine starke Nachfrage, die Produktion würde anziehen. Dafür wäre ein Preisverfall von wahrscheinlich um die 15 bis 20 Prozent notwendig. Aber wenn diese beiden Dinge passieren – der Schuldenschnitt und der Grexit im Konsens – dann würde die griechische Wirtschaft schnell wieder wachsen. Alles deutet darauf hin. Es ist fast ein stehendes Gesetz von Währungsreformen, das Europa nicht wahrhaben will: Wenn es eine Währungsreform dieses Ausmaßes gibt, erholt sich die Wirtschaft sehr schnell.“
„Das ist der Preis, den Europa zahlen muss“
BILD: Aber wie wollen Sie auf dieser Grundlage Ihre Schulden bezahlen? Dafür bräuchten Sie Dollar oder Euro?
Lapavitsas: „Die Bedingung für den Euro-Austritt ist ein kompletter Schuldenschnitt. Der Ausstieg muss ausgeglichen werden, indem ihr die Schulden abschreibt – das ist der Preis, den Europa zahlen muss, damit sich Griechenland aus der Eurozone verabschiedet. Ein Ausstieg ohne Schuldenschnitt wäre ein Desaster. Außerdem wäre das rechtlich auch nicht möglich: Denn ein Staat mit einer anderen Nationalwährung kann meiner Meinung nach seine Schulden nicht in Euro bezahlen.“
BILD: Das klingt fast so, als brauchte Griechenland den Zusammenbruch, um zu genesen ...
Lapavitsas: „Sie meinen: Wir müssen die Wirtschaft erst zerstören, um sie dann wieder aufzubauen? Das ist schlechte Wirtschaftspolitik. Aber, das ist genau das, was die Troika und die Eurozone mit Griechenland in den letzten Jahren gemacht haben. Griechenland hat das Desaster bereits durchgemacht, eine Strukturkrise. Ich dagegen möchte genau dieser Abwärtsspirale entkommen – auf eine zivilisierte Art und Weise.“
Von Euro-Schreck Varoufakis hält er wenig
BILD: Was halten Sie von engeren Beziehungen von Griechenland mit Russland und China?
Lapavitsas: „Wenn Griechenland seine Strukturen neu ordnet, muss es natürlich auch seine internationalen Beziehungen überdenken. Griechenland kann jedenfalls noch andere internationale Möglichkeiten entdecken, wie es seine Wirtschaft und Gesellschaft am besten stützen kann. Dabei ist die griechische Regierung in erster Linie ihrer Bevölkerung verpflichtet und nicht einer abstrakten europäischen Idee. Wenn wir dafür unsere internationalen Beziehungen neu ordnen müssen, dann sollten wir das tun.“
BILD: Macht Finanzminister Varoufakis eigentlich einen guten Job?
Lapavitsas: „Ich kenne Yanis jetzt schon sehr lange. Ich denke anders als er und ich vertrete auch einen anderen Teil des politischen Spektrums. Aber wir beide sind kritisch eingestellt gegenüber der Mainstream-Ökonomie. Yanis ist in einer schwierigen Position. Sein Job ist wie ein elektrischer Stuhl. Er hat versucht, den Politikwechsel zu vollziehen, den das griechische Volk verlangt, und gleichzeitig die Probleme innerhalb der Eurozone zu bewältigen. Er hat versucht, den Sparkurs zu durchbrechen und den Kurs innerhalb der Eurozone zu verändern – und das ist unmöglich.“
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