Παρασκευή 31 Οκτωβρίου 2014

Nach Notenbank-Wende in USA wächst die Unsicherheit



31/10/2014

Von Frank Stocker und Holger Zschäpitz

Die Fed beendet Anleihenkäufe und die Börsen reagieren mit starken Schwankungen. Sie bewegt die Frage, ob demnächst die Zinsen steigen

Man kann es sich wie eine Sangria-Party am Ballermann auf Mallorca vorstellen: Fröhlich wird der Eimer herumgereicht, und die Herumstehenden flößen sich nacheinander etwas von dem süßen Gesöff ein. Abwechselnd, immer wieder, immer mehr. Nach und nach wird die Feier lustiger und beschwingter. Schließlich wird gejohlt, gelacht und gegrölt. Bis plötzlich der Eimer leer ist.

Die Finanzmärkte kommen jetzt genau in eine solche Lage. Jahrelang wurden sie von der US-Notenbank (Fed) mit Geld versorgt. Sie ließ die Notenpresse rattern und schleuste zig Milliarden an die Börsen, die Kurse stiegen unaufhörlich. Doch am Mittwochabend verkündete die Fed, dass jetzt Schluss damit sei. Sie gab bekannt, dass sie das Volumen ihrer Wertpapierkäufe von zuletzt 15 Milliarden Dollar pro Monat auf null zurückfahren wird. Nach gut sechs Jahren stellt die Fed damit nun die Notenpressen ab. Den Investoren fehlt so plötzlich der Nachschub an billigem Geld. Und wie der hemmungslose Partygänger könnten sie demnächst mit einem gehörigen Kater aus der Feierlaune erwachen.

Entsprechend turbulent fielen die Marktreaktionen aus. Die Börsen verloren zwischenzeitlich kräftig an Wert, der Dollar schoss in die Höhe. Denn wenn in Zukunft weniger Dollar gedruckt werden, erhöht das den Wert der US-Devise. Am Donnerstag rutschte der Euro folglich deutlich unter 1,26 Dollar.

Ablesen ließ sich die Unsicherheit auch am sogenannten Angstindex VIX. Dieser schoss unmittelbar nach Bekanntgabe der Neuigkeiten um mehr als zwölf Prozent nach oben. "Die Fed hat es nicht vermocht, den Märkten ihre Ängste zu nehmen", sagt Lena Komileva, Strategin von G+ Economics. Sie habe kein klares Bekenntnis abgegeben, die Zinsen weiter lange niedrig zu halten.

Die Unruhe an den Börsen kommt nicht von ungefähr. Denn die Aktienkurse folgten in den vergangenen sechs Jahren fast schon sklavisch der Ausweitung der Notenbankbilanz. Im Dezember 2008, unmittelbar nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers und der darauffolgenden tiefen Finanzkrise, startete die Fed ihre erste Runde des sogenannten Quantitative Easing (QE), wie der Kauf von Wertpapieren durch die Notenbank genannt wird.

Kurz darauf begannen die Kurse wieder zu klettern – bis die erste Phase des Gelddruckens, QE1, im März 2010 auslief. Anschließend brachen die Kurse ein. Der US-Aktienindex S&P 500 rutschte in weniger als einem halben Jahr um knapp zehn Prozent ab. Doch dann startete die Fed im November 2010 QE2, und prompt stiegen die Kurse wieder.

Von Juni 2011 bis September 2012 folgte dann die zweite Phase, in der die Druckerpressen stillstanden – und an der Börse ging es nur müde voran. Erst seit QE3 im September 2012 startete, gingen die Kurse erneut durch die Decke. Der S&P 500 schoss erstmals in seiner Geschichte über die 2000-Punkte-Marke.

Nun, nach mehr als einem halben Jahrzehnt der Geldschwemme, soll endgültig Schluss damit sein. "Ein geldpolitisches Experiment geht damit in seine nächste Phase", sagt Martina von Terzi, Volkswirtin bei der Unicredit. Ein Experiment, bei dem die Fed mit der Notenpresse die Wirtschaft ankurbeln wollte.

Dazu hat sie ihre Bilanz durch Wertpapierkäufe um 3,9 Billionen Dollar ausgeweitet – das ist mehr als die deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres. Die Wirtschaftsleistung der USA ist dadurch jedoch nur um etwa 2,5 Billionen Dollar gestiegen. Die Notenbank musste also rund 1,5 frische Dollar drucken, um ein Wachstum von einem Dollar zu erzeugen. Folglich herrscht Uneinigkeit darüber, ob QE wirklich etwas gebracht hat.

Zumal nun der Kater folgen könnte. Zuallererst gilt das für die Aktienmärkte. "Das nahende Ende von QE wird seit Ende 2010 mit einem Abverkauf am Aktienmarkt in Verbindung gebracht", sagt David Woo, Zinsexperte bei Bank of America Merrill Lynch, mit Blick auf jene Phasen in den vergangenen Jahren, als die Notenpresse zeitweise stillstand. "Und jedes Mal, wenn sich der Abverkauf verstärkte, startete die Notenbank eine neue QE-Runde." Beispielsweise wurde QE2 nach einem Verlust von elf Prozent im S&P 500 gestartet, QE3 folgte auf einen Kursverfall von 16 Prozent.

Dabei war es nach Ansicht von Terzi gar nicht mal das von der Notenbank gedruckte Geld selbst, das die Börsen anschob. Vielmehr habe die Fed auf diese Weise das Vertrauen der Investoren in die wirtschaftliche Erholung gestärkt und sie so zu größerer Risikofreude bewogen, mithin also zum Aktienkauf. Sichtbar wird das auch am sogenannten Angstindex VIX. Dieser schoss immer dann in die Höhe, wenn die Fed mit den Geldspritzen pausierte. Der Harvard-Historiker Niall Ferguson spricht davon, dass die Fed die Investoren abhängig gemacht habe von den Geldspritzen, die wie eine Art Droge wirkten.

Entscheidend dafür, wie sich die Börsen nun nach dem Absetzen der Drogen entwickeln, wäre demnach, wie robust die Akteure ohne sie auskommen, sprich: wie stark das Vertrauen des Marktes in die konjunkturelle Stärke jetzt ist, vor allem jene der USA. Reicht es aus, um einen Ausverkauf bei Aktien abzuwenden?

Richard Adams, Portfolio-Manager bei Threadneedle, ist positiv gestimmt. Er rechnet mit einem Wachstum der US-Wirtschaft von zwei bis drei Prozent, und dazu würden vor allem die Verbraucher beitragen. "Einige Jahre mussten die US-Verbraucher den Gürtel enger schnallen, doch jetzt hat sich ihre Finanzlage gebessert." Und da der Konsum rund 70 Prozent der US-Wirtschaft ausmacht, ist das entscheidend.

Allerdings: Die Daten aus den USA waren zuletzt durchaus wieder gemischt. Einerseits wurde am Donnerstag bekannt, dass die Wirtschat zuletzt aufs Jahr hochgerechnet um 3,5 Prozent gewachsen ist. Andererseits war der Empire-State-Index, ein wichtiger Frühindikator, zuletzt deutlich gesunken, und die Einzelhandelsumsätze deuteten ebenfalls darauf hin, dass die Verbraucher sich eher zurückhalten.

Solche negativen Nachrichten könnten in den kommenden Monaten stärkeres Gewicht bekommen, wenn die Unterstützung durch die Notenpressen der Fed fehlt. Ob sie diesmal jedoch wieder zu Hilfe eilt und einfach QE4 startet, wenn die Kurse allzu sehr fallen, ist allerdings fraglich. Denn das eigentliche Ziel dieser Geldpolitik, ein deutliches Absinken der Arbeitslosenrate, ist inzwischen erreicht.

Aber vielleicht kommt diesmal ja Hilfe von anderer Seite. Inzwischen glauben immer mehr Beobachter, dass in Kürze schon die Europäische Zentralbank (EZB) genau das macht, was die Kollegen in den USA die letzten sechs Jahre betrieben haben: Geldpolitik mit der Notenpresse. Ob das dann reicht, um die versiegende Geldflut aus den USA auszugleichen, wird sich zeigen.

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