2/11/2013
Von Tobias Kaiser
IWF-Vize David Lipton will, dass Deutschland die Finanzreform weiter voranbringt – in einer Rede an der American Academy in Berlin appellierte er an Deutschlands internationale Verantwortung.
Die Welt: Wir nähern uns dem Jahresende. Zeit, um Bilanz zu ziehen. Hat sich die Weltwirtschaft 2013 stabilisiert?
David Lipton: Europa hat es geschafft, einen Zusammenbruch des Euro zu verhindern. Dieses Risiko, das uns noch 2011 große Sorgen gemacht hat, ist inzwischen nur noch klein, und das beruhigt die ganze Weltwirtschaft. Gleichzeitig haben sich aber neue Risiken entwickelt: Viele Schwellenländer kämpfen mit schwächerem Wachstum und müssen jetzt ihr Wachstum auf ein stabileres Fundament stellen. Das ist wichtig für die gesamte Weltwirtschaft, weil diese Länder zuletzt das globale Wachstum angetrieben haben.
Die Welt: Im Moment halten die Notenbanken die Weltwirtschaft am Laufen, indem sie Billionen ins Finanzsystem pumpen. Wie lange geht das noch gut?
Lipton: Die unkonventionelle Geldpolitik hat in der Krise eine sehr wichtige Rolle gespielt. Die Notenbanken der USA, Großbritanniens, Japans und der Euro-Zone haben dabei geholfen, das Finanzsystem unter extremsten Bedingungen stabil zu halten und die Weltwirtschaft vor einer Depression zu bewahren. Die Notenbanker haben mutig gehandelt und teilweise noch nie erprobte Strategien angewandt. Dafür schulden wir ihnen Dank.
Die Welt: Auch die EZB unterstützt die Krisenländer mit ultrabilligem Geld. Trotzdem dürfte das im Fall von Griechenland nicht genügen. Braucht das Land einen weiteren Schuldenschnitt?
Lipton: Im Moment haben wir ein laufendes Programm, und wir helfen Griechenland dabei, das Programm umzusetzen. Die Regierung von Premierminister Antonis Samaras hat große Fortschritte dabei gemacht, die griechische Wirtschaft zu reformieren und die Staatsfinanzen zu sanieren. Das heißt nicht, dass alles perfekt läuft; es gibt immer noch viel zu tun, und darüber sprechen wir gerade mit der griechischen Regierung. Aber die Antwort auf Ihre Frage kann ich Ihnen erst zu einem späteren Zeitpunkt geben.
Die Welt: Athen verweist gerne auf die Zusage, dass es mit Unterstützung rechnen kann, wenn es die Vorgaben des Programms erfüllt.
Lipton: Es stimmt, die europäischen Regierungen versichern seit Jahren, dass Griechenland das Geld bekommen wird, das es braucht, wenn es sich an die Vorgaben in den laufenden Programmen hält. Wir erwarten, dass die europäischen Regierungen sich an diese Zusage halten, und das ist auch Bedingung dafür, dass wir uns an diesen Programmen beteiligen. Ich will nicht spekulieren; entscheidend ist jetzt das Programm für 2014, und in dessen Rahmen braucht Griechenland zusätzliches Geld. Wir diskutieren darüber mit unseren europäischen Partnern und hoffen, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden. Langfristigere Probleme müssen zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden.
Die Welt: Die griechische Wirtschaft liegt noch immer am Boden, und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Waren die Forderungen der Troika zu hart?
Lipton: Im Nachhinein ist es immer einfach zu sagen, was eine gute Entscheidung war und was nicht. Wir haben das erste Griechenland-Programm überprüft und haben bereits eine Menge gelernt aus den Fehlern, die damals gemacht wurden. Aber das heißt nicht, dass die Fehler damals vermeidbar gewesen wären. Das erste Rettungspaket für Griechenland wurde geschnürt, als das Finanzsystem und die Weltwirtschaft sehr verletzlich waren. Damals herrschte Angst vor einer Ansteckung anderer Euro-Länder und vor der Gefahr für die Finanzstabilität. Außerdem gab es in Europa kaum praktische Erfahrung bei der Zusammenarbeit, um eine Volkswirtschaft in solch einer Situation zu stützen. Seitdem hat sich die Zusammenarbeit aber stark verbessert und ist jetzt sehr gut.
Die Welt: Was erwarten Sie von der Europapolitik der künftigen Bundesregierung?
Lipton: Ich habe keine Ahnung, wie deren Europapolitik aussehen wird. Ich bin auch nach Berlin gekommen, um zu hören, worüber die Koalitionsparteien reden, und mir scheint, dass es noch einige Wochen dauern wird, bis wir erste Ergebnisse haben. Aber ich fordere die künftige Bundesregierung dazu auf, sich auf internationaler Ebene stärker zu engagieren. Jetzt, wo die Krise in Europa weniger akut ist, müssen wir uns den Problemen auf globaler Ebene widmen. Zum Beispiel müssen wir die Reformen des Finanzsektors weiterführen und den Schwellenländern dabei helfen, mit den Auswirkungen der Krise in den wohlhabenden Ländern fertigzuwerden. Ich appelliere an Deutschland, sich auf globaler Ebene stärker einzubringen, um die globalisierte Weltwirtschaft mitzuentwickeln; das gilt nicht nur für die Bundesregierung, sondern auch für Unternehmen, Verbände und Thinktanks.
Die Welt: Sie haben vergangene Woche mit Irlands Finanzminister Michael Noonan gesprochen. Wird es ein zweites Rettungspaket für Irland geben?
Lipton: Eines vorweg: Letztlich muss die irische Regierung darüber entscheiden. Wir würden es vorziehen, dass Irland das laufende Rettungsprogramm Schritt für Schritt verlässt. Irland hat alles getan, um die Wirtschaft wieder zu stabilisieren, aber die Volkswirtschaft bleibt geschwächt. Die Binnennachfrage stagniert, die Banken machen weiter keinen Gewinn, und viele Menschen bleiben arbeitslos. In dieser Situation sollte die Troika Irland mit vorsorglichen Maßnahmen zur Seite stehen. Das wäre ein Weg, den Erfolg zu festigen.
Die Welt: Sie wollen also ein Rettungspaket?
Lipton: Nein, so würde ich es nicht nennen. Irland muss nicht gerettet werden. Aber wir wünschen uns ein Paket, das Geld für den Notfall zur Verfügung stellt – auch wenn wir davon ausgehen, dass der Notfall nicht eintritt. Wie gesagt, ein vorsorgliches Arrangement, um das Erreichte nicht zu gefährden. Eine solche Strategie könnte vielleicht bei allen Beteiligten Unterstützung finden. Irland sollte nicht in die Märkte springen, es sollte sich langsam an sie herantasten.
Die Welt: Aber Irland ist doch schon am Markt.
Lipton: Natürlich, und die Risikoprämien Irlands liegen weit unter denen Italiens, Spaniens oder Portugals. Aber die Frage ist doch, ob Irland ohne Rettungsweste weiterschwimmen sollte. Wenn ein Sturm aufkommt, ist es gut, einen Rettungsring zumindest in der Nähe zu haben, den man im Notfall greifen kann. Wenn es keinen Sturm gibt, ist alles in Ordnung. Aber es ist niemandem geholfen, wenn Berlin und Dublin am 31. Dezember erklären, dass alles erledigt ist, und dann im Sommer 2014 eine Situation entsteht, in der Irland wieder um Hilfen bitten muss – möglicherweise aus Gründen, für die Irland selbst nichts kann.
Die Welt: Was könnte diesen Sturm auslösen?
Lipton: Zum Beispiel könnte eine Änderung der US-Geldpolitik dazu führen, dass die Finanzmärkte risikoscheuer werden.
Die Welt: Niedrige US-Zinsen könnten die Euro-Krise wieder aufflammen lassen?
Lipton: Die Fed will ihre Geldpolitik dem Zustand der US-Wirtschaft anpassen. Aber wir sehen, dass die Märkte auf die Fed-Politik häufig sehr eigen reagieren. Das hat nicht nur Auswirkungen auf Schwellenländer, sondern auch auf die Euro-Peripherie. Die Risikoprämien von Spanien, Italien und Portugal sind nach der letzten Fed-Ankündigung gestiegen, wenn auch nicht so stark wie in den Schwellenländern. Niedrigere Leitzinsen in den USA würden die Euro-Krise nicht erneut ausbrechen lassen, dürften aber für erheblichen finanziellen Druck sorgen.
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