13/11/2013
Von David Böcking
Die EU-Kommission sieht Deutschlands Exportüberschuss als Problem. Entweder müssen die Einfuhren steigen oder die Ausfuhren sinken. Doch lässt sich das in einer Marktwirtschaft verordnen? Drei mögliche Lösungen im Check.
Hamburg - Was viele Deutsche als Erfolg feiern, sieht Brüssel als Problem: Die EU-Kommission leitete am Mittwoch eine Untersuchung des deutschen Exportüberschusses ein, weil dieser mehr als sechs Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht. Damit verstößt Deutschland gegen die verschärften Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, so viel ist klar. Offen ist aber, mit welchen Schritten Deutschland das Problem lösen soll.
Viele deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter wollen ohnehin kein Problem erkennen: Deutsche Unternehmen seien nun mal erfolgreich in der Welt, argumentieren sie, sollen sie deshalb absichtlich weniger verkaufen? Doch niemand fordert ernsthaft, dass Deutschland einen Teil seiner Ausfuhren einfach streicht. Es geht darum, dass diese in ein ausgeglicheneres Verhältnis zu den Einfuhren kommen.
Grundsätzlich ist es normal, dass nicht alle Länder gleich viel Waren ins Ausland verkaufen. Schließlich produzieren sie unterschiedliche Dinge, die mehr oder weniger gefragt sind. Gewinner und Verlierer gibt es dabei in der Weltwirtschaft immer.
Doch spätestens seit der Gründung von EU und Euro-Zone ist Deutschland kein globaler Einzelkämpfer mehr, sondern Teil eines Wirtschafts- und Währungsverbundes. Und in diesem sind starke Ungleichgewichte auf Dauer sehr wohl ein Problem, wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat. Länder wie Griechenland oder Portugal importierten im Vorfeld der Krise immer mehr Waren aus Deutschland und anderen Ländern und vernachlässigten darüber ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit. Das war Deutschland weitgehend egal, solange für die Produkte Geld floss. Doch da sie selbst zu wenig Geld einnahmen, finanzierten die Südeuropäer ihren Konsum zunehmend über Schulden - bis diese zur existentiellen Bedrohung wurden.
Aus ihrer misslichen Lage hätten sich Griechen und Portugiesen vor Einführung des Euro selbst befreien können: Sie hätten Drachme oder Escudo abgewertet und damit den Verkauf ihrer Waren ins Ausland erleichtert. Doch eine solche Abwertung ist mit einer gemeinsamen Währung nicht möglich. Deshalb der Appell an die Deutschen, sie sollten mehr Waren aus dem Süden kaufen.
Auch Deutschland hat jedoch nicht mehr die gleichen Möglichkeiten wie einst. Früher hätte die Bundesbank die D-Mark aufwerten und Handelsschranken wie etwa Zölle senken können. Damit wären die Exporte teurer, Importe dagegen billiger geworden. Doch nun gibt es den Euro und einen europäischen Binnenmarkt, der kaum noch Handelsschranken kennt.
Wie also kann Deutschland seinen Überschuss trotzdem reduzieren? Die perfekte Lösung gibt es nicht, aber eine Reihe von Ansätzen:
Löhne erhöhen
Die häufigste Forderung aus dem Ausland lautet, Deutschland solle einen Anstieg der Löhne ermöglichen. Auf diese Weise hätten die Deutschen mehr Geld in der Tasche, das sie dann unter anderem für Waren aus dem Ausland ausgeben könnten.
Für diese Forderung spricht, dass deutsche Arbeitnehmer im vergangenen Jahrzehnt sehr bescheiden waren und nach Berücksichtigung der Inflation sogar Lohnverluste erlitten. Zwar stiegen die Löhne zuletzt in vielen Branchen. Dennoch gingen die Einkommen von Gering- und Vielverdienern auch den vergangenen Jahren weiter auseinander.
Allerdings kann der Staat höhere Löhne nicht einfach verordnen, es herrscht schließlich Tarifautonomie. Und viele Unternehmer dürften in Verhandlungen mit ihren Mitarbeitern argumentieren, dass sie sich steigende Gehälter im globalen Wettbewerb nicht leisten können. Zumindest das ist jedoch kein Argument gegen einen staatlichen Mindestlohn, wie ihn derzeit Union und SPD diskutieren. Dieser würde fast ausschließlich kleinere Dienstleistungsunternehmen treffen, die nicht auf dem Weltmarkt konkurrieren. Aus demselben Grund wäre allerdings der dämpfende Effekt auf die Exporte begrenzt.
Steuern senken
Selbst wenn die Bruttolöhne der Deutschen nicht steigen sollten, könnte die Regierung ihnen ein größeres Netto verschaffen - und damit ebenfalls die Nachfrage ankurbeln. Diese Forderung erhebt unter anderem EU-Währungskommissar Olli Rehn. Seiner Meinung nach könnte Deutschland "hohe Steuern und Sozialabgaben reduzieren, vor allem für Niedrigverdiener".
Allerdings gehört die Steuerpolitik in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD derzeit zu den umstrittensten Punkten. Während die SPD vor allem auf eine Steuererhöhung für Reiche dringt, würden die Pläne der Union genau diese Gruppe entlasten. Die aber steckt zusätzliches Geld deutlich seltener in den Konsum als Geringverdiener, würde es also eher zum Sparen nutzen als zum Shoppen.
Ohnehin käme eine verstärkte Nachfrage laut einer Studie der EU-Kommission von 2012 nur begrenzt den Südeuropäern zugute. Demnach verbessert ein Nachfrage-Plus von einem Prozent in Deutschland vor allem die Handelsbilanz in eng verbundenen Nachbarländern wie Tschechien, und selbst dort würde die Verbesserung nur 0,1 Prozent betragen. In Spanien, Italien oder Portugal läge der Effekt gerade einmal bei etwa 0,02 Prozent, in Griechenland noch niedriger. Die Exportschwäche dieser Staaten kann Deutschland also allein mit mehr Netto vom Brutto nicht beheben.
Mehr investieren
Trotz bescheidener Lohnentwicklung tragen die Bürger mit ihren Ausgaben schon jetzt deutlich mehr zum Wirtschaftswachstum bei als in der Vergangenheit. Anders sieht es bei Staat und Unternehmen aus: Ihre Investitionen in Infrastruktur oder neue Maschinen bleiben laut Ökonomen seit langem hinter dem eigentlich Notwendigen zurück.
Entsprechend groß sind die Begehrlichkeiten: Das DIW fordert jährliche Investitionen in Höhe von 75 Milliarden Euro, allein für den Erhalt des Schienennetzes wäre laut Bahn-Chef Rüdiger Grube jährlich eine Milliarde Euro mehr notwendig. Von solchen Investitionen würden auch ausländische Unternehmen profitieren, zudem würden sie Arbeit schaffen und damit die Nachfrage ankurbeln.
Doch auch Investitionen von Unternehmen lassen sich nicht einfach per Gesetz verordnen. Anders sieht es bei staatlichen Ausgaben aus, sie ließen sich relativ schnell hochfahren. Ein Problem ist jedoch, dass Deutschland sich mit der Schuldenbremse einen ziemlich strikten Sparkurs verordnet hat. Das kritisierte unter anderem der Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard. Die Deutschen müssten sich fragen, ob sie zu viel sparen und zu wenig investieren, sagte er dem "Handelsblatt".
Doch eine Lehre aus der Euro-Krise lautet eben auch, dass wirtschaftliche Probleme in der Vergangenheit viel zu oft mit neuen Schulden gelöst wurden.
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