7/2/2017
Für Griechenland läuft mal wieder ein Countdown – ohne Finanzspritzen droht im Sommer erneut die Pleite. Doch gefangen zwischen Gläubigern und Wirtschaftsflaute kann das Land weder vor noch zurück.
Selbst den sonst so metapherfreudigen griechischen Medien fällt langsam nichts mehr ein. Die Situation ist kein gordischer Knoten, den man zerschlagen könnte; keine Odyssee, die mit Mut und Glück zu bewältigen wäre, kein trojanisches Pferd, mit dem man trickst. Die Lage ist aussichtslos – so jedenfalls empfinden es die Griechen, die trotz oder gerade wegen der unzähligen Sparmassnahmen der vergangenen Jahre nicht auf die Beine kommen. Stattdessen macht wieder das Schreckgespenst «Grexit» die Runde.
Nicht einmal die Gläubiger des Landes können sich auf ein Vorgehen einigen. Der Internationale Währungsfonds (IMF) glaubt, die griechische Schuldenlast von über 300 Mrd. € sei langfristig nicht zu bewältigen. Zudem kritisiert er die Annahme der europäischen Gläubiger, Griechenland könne in den kommenden Jahren konstant ein Wachstum von 3,5% erreichen. Stattdessen fordert er von den europäischen Partnern einen weitreichenden Schuldenerlass und von Griechenland zusätzliche massive Sparmassnahmen.
Deutschland im Dilemma
Doch für Finanzminister Wolfgang Schäuble kommt ein Schuldenerlass für Griechenland – zumal vor der Bundestagswahl im Herbst – nicht in Frage. Wenn der IMF jedoch aussteige, ginge es ebenfalls nicht, denn dann müsse man weitere Hilfen erneut vom Bundestag absegnen lassen, heisst es aus dem Bundesfinanzministerium.
Derweil jongliert Ministerpräsident Alexis Tsipras, was das Zeug hält. Hatte er seinem Volk noch vor zwei Jahren versprochen, dem Gläubigerzwang ein Ende zu bereiten, setzte er in der Folge unzählige Steuererhöhungen und Sparmassnahmen durch. Allein zum Jahresbeginn 2017 stiegen die Abgaben auf Benzin, Kaffee, Tabak, Mobiltelefonie und Festnetz. Die Mehrwertsteuer wurde ebenso erhöht wie die Abgaben vor allem der Freiberufler für Krankenversicherung und Rente.
Bevölkerung mit der Geduld am Ende
Überhaupt, Rente – die Zahl der direkten und indirekten Rentenkürzungen kann in Griechenland nur noch geschätzt werden. Über den Daumen gepeilt dürften die Rentner in den vergangenen Jahren rund 15 Mal angegangen worden sein, viele Menschen erhalten heute weniger als 50% der ursprünglich anvisierten Zahlungen.
Und so ist die Bevölkerung mit ihrer Geduld am Ende. Konsum und Binnenkonjunktur sind am Boden, die Investitionen tendieren gegen Null, die Arbeitslosigkeit leibt hoch. Jene jungen Menschen, die überhaupt Arbeiten finden, verdienen meist nur den Mindestlohn von 486 € pro Monat – brutto. Auch die Rentner, die in vielen Fällen ihre Familien unterstützten, können wegen der Kürzungen kaum helfen.
Zurück zur Drachme!
Also macht sich Trotz breit. «Wir können nicht mehr! Dann gehen wir eben zurück zur Drachme», heisst es beim Friseur, in der Kneipe, im Taxi. Befeuert wird diese Diskussion seit kurzem auch von Hinterbänklern der regierenden Linkspartei Syriza. Man verstehe nicht, warum angesichts der aussichtslosen Situation ein Euro-Austritt nicht einmal diskutiert werden dürfe, heisst es.
Ähnlich sieht das der deutsche Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. «Wir müssen so schnell wie möglich einen Weg finden, wie wir Griechenland zwar in der EU und ihrer Solidargemeinschaft halten, aber aus der Euro-Zone hinaus begleiten», sagte er der «Heilbronner Stimme» (Mittwoch). Zudem kritisiert er, dass die Union und Schäuble im Bundestag das «glasklare Versprechen» gegeben hätten, dass sie ohne IMF-Beteiligung einem dritten Hilfspaket von 2015 bis 2018 nicht zustimmen würden. Der Währungsfonds aber hält sich bisher zurück. «Deshalb ist es nun an der Zeit, die Dinge zu begradigen.» Andernfalls wolle die FDP den «Wortbruch» der deutschen Regierung zum Wahlkampfthema machen.
Grexit kein Thema
Bei den europäischen Institutionen ist der «Grexit» hingegen kein Thema. In den kommenden Wochen dürfte es vor allem darum gehen, mit dem IMF einen Kompromiss zu finden, heisst es in Brüssel. Auch die Euro-Finanzminister dürften sich beim Treffen am 20. Februar darüber die Köpfe zerbrechen. Denn im Sommer stehen für Griechenland Rückzahlungen in Milliardenhöhe an.
Und schliesslich: Dass Athen es in Griechenland keine Wirtschaftskraft gibt, die die eigene Währung stützen könnte, fällt bei den Athener Stammtischgesprächen zum «Grexit» unter den Tisch. Genauso wie der Gedanke, dass die Schuldenlast ja auch künftig in harten Euro bedient werden müsste. Oder die Tatsache, dass Griechenland sich nicht einmal mit Nahrungsmitteln selbst versorgen könnte, sprich, auch mit einer inflationsschwachen Drachme viele Lebensmittel importieren müssten.
Zwei Optionen für Tsipras
Zwischen den Mühlsteinen gibt es für Ministerpräsident Tsipras eigentlich nur zwei Optionen. Die erste: Augen zu und durch. Alle neuen geforderten Sparmassnahmen - darunter die Senkung des Steuerfreibetrags von rund 9000 € auf 5000 € im Jahr – durchwinken und schauen, was herauskommt. Oder Neuwahlen veranlassen.
Das Kalkül hinter letzterer Variante: Syriza findet in der Bevölkerung ohnehin kaum noch Unterstützung. Bevor man im politischen Nirwana verschwindet, könnte man den Konservativen die heisse Kartoffel zuwerfen – und nach deren zwangsläufigem Scheitern zumindest noch politisch existent sein. Allein der griechischen Bevölkerung hilft das reichlich wenig.
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