25/2/2018
Von Keno Verseck
Mazedoniens neuer Premierminister Zaev will den Jahrzehnte alten Namensstreit seines Landes mit Griechenland endlich beilegen. Die Regierung sei bereit, vielen Forderungen nachzukommen - mit einer Ausnahme.
Als Kanzlerin Angela Merkel in der Pressekonferenz mit ihrem Gast Zoran Zaev ausdrücklich von "Mazedonien" sprach, dürften viele aufgehorcht haben. Offiziell erkennt Deutschland das Heimatland des Premierministers nur als "ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien" an - die Wortwahl Merkels war nun ein kleiner, aber bedeutender Unterschied.
Denn seit Jahrzehnten schwelt zwischen Mazedonien und seinem südlichen Nachbarn Griechenland ein erbitterter Namensstreit. Mit dem Sozialdemokraten Zaev im Amt scheint nun eine Lösung des Konflikts möglich. Im Interview mit dem SPIEGEL spricht der neue Regierungschef exklusiv über den schwierigen Weg zu einer Einigung und beschreibt, was ein Scheitern der Verhandlungen für Folgen hätte.
SPIEGEL: Herr Ministerpräsident, angenommen ich würde meinem Sohn Ihren Vornamen geben - was würden Sie sagen?
Zoran Zaev: Es wäre absolut normal für mich. Jeder hat das Recht, frei einen Namen für seine Kinder zu wählen.
SPIEGEL: Es wäre kein Angriff auf Ihre Identität?
Zaev: Natürlich nicht. Übrigens ist Zoran ein Name, den es in vielen Ländern Südosteuropas gibt, nicht nur in Mazedonien.
SPIEGEL: Griechenland stört sich am Verfassungsnamen Ihres Landes, Republik Mazedonien, weil es darin Territorialansprüche auf die nordgriechische Region Makedonien wie auch einen Identitätsdiebstahl sieht.
Zaev: Es gab zu dieser Frage viele Kommentare in der Vergangenheit, unsere beiden Länder sind sogar vor Gericht gezogen. Trotzdem wurde der Namensstreit bislang nicht gelöst. Jetzt versuchen wir eine freundschaftliche Atmosphäre mit unserem Nachbarland aufzubauen und den Streit durch Verhandlungen zu lösen. Ich denke, unsere griechischen Freunde wollen jetzt wirklich und aufrichtig eine Lösung für dieses Problems finden. Das wäre nicht nur gut für Griechenland und Mazedonien, sondern für die ganze Region. Allerdings muss es eine Lösung sein, durch die beide Seiten ihre Identität und ihre Würde wahren können.
SPIEGEL: Anderseits haben in Griechenland kürzlich hunderttausende gegen den Namen Mazedonien für Ihr Land demonstriert. Wie schwierig wird es, eine Lösung zu finden?
Zaev: Es wird sehr schwierig. Wenn es einfach wäre, hätte schon jemand eine Lösung gefunden. In Demokratien ist es das Recht der Leute, auf die Straße zu gehen und ich kann auch einige Radikale verstehen, die gegen eine Lösung des Streits sind, weil es ihre persönlichen Gefühle verletzt. Aber ich glaube, die überwältigende Mehrheit der Griechen ist auch für eine Lösung - denn sie wissen, dass das gut für Griechenlands Ansehen in der Region und damit für ihre Zukunft ist. Ich glaube, auch mein Amtskollege Alexis Tsipras denkt so. Mit einer Lösung des Streits würde Griechenland auch seiner verdienten Position - die einer Führungsmacht der Region - wieder näherkommen.
SPIEGEL: Sie haben mit Angela Merkel unter anderem auch über den Namensstreit gesprochen. Sollte sich die Bundesregierung vermittelnd einschalten?
Zaev: Ich denke, beide Seiten - also Mazedonien und Griechenland - können Unterstützung und Ermutigung gebrauchen. Auf irgendeine Seite Druck auszuüben, wäre sicher nicht der richtige Weg. Eine eigenständige, souveräne Entscheidung im Namensstreit kann uns niemand abnehmen.
SPIEGEL: Befürchten Sie, dass die wirtschaftliche Erholung Griechenlands in der EU Priorität genießt und die Lösung des Namensstreites dahinter zurückstehen muss?
Zaev: Man muss die beiden Dinge voneinander trennen. Ich wünsche mir für unseren südlichen Nachbarn und Partner wirklich gute finanzielle Ergebnisse und einen Erfolg in der Stabilisierungspolitik. Der Namensstreit ist eine separate Angelegenheit. Allerdings kann dieses Problem in einem freundlichen und stabilen ökonomischen Klima sicher besser gelöst werden.
SPIEGEL: Sie haben keine territorialen Ansprüche an Griechenland?
Zaev: Nun ja, wir möchten im Sommer die schönen Strände und Inseln Griechenlands okkupieren. Mehr als eine Million Mazedonier fahren jedes Jahr nach Griechenland, wir geben unser Geld dort aus, wir lieben Griechenland, es gibt so viele Kontakte von Unternehmern und Touristen nach Griechenland. Aber ganz im Ernst: Andere Okkupationsgedanken haben wir selbstverständlich nicht.
SPIEGEL: Sie wollen auch keinen Identitätsstreit führen?
Zaev: Nein, natürlich nicht. Dieser Namensstreit, oder wie ich es manchmal nenne, dieses dumme politische Problem, ist einfach nur ein Hindernis für die Entwicklung der freundschaftlichen und guten ökonomischen Beziehungen unser beiden Länder und für eine immer weitere Öffnung der Grenzen in der Region zum Wohle aller ihrer Bürger.
SPIEGEL: Griechenland schlägt vor, dem Namen Mazedonien einen geografischen Zusatz voranzustellen. Ist das für Sie akzeptabel?
Zaev: In der Vergangenheit war das bei uns ein Tabu. Ich kann als Regierungschef Mazedoniens nun aber offiziell verkünden, dass es für uns akzeptabel ist, weil es eine Tatsache ist. Mazedonien ist eine historische Region, die in drei Ländern liegt: in unserem Land, in Griechenland und in Bulgarien. Unser Land ist der nördliche oder der obere Teil. Der südliche Teil ist in Griechenland, der östliche in Bulgarien. Das sind die Tatsachen und wir sollten nicht gegen die Tatsachen sein. Weil wir verstehen und akzeptieren, dass die Griechen gerne eine Unterscheidung haben möchten, sind wir bereit, einen geographischen Zusatz zu akzeptieren.
SPIEGEL: Und was halten Sie von der Forderung Griechenlands, den Namen international nicht zu übersetzen - ihn also nur in der mazedonischen Version zu verwenden?
Zaev: Ich kann keinerlei vernünftige Argumente dafür erkennen, ganz ehrlich gesagt. Wie soll das praktisch geschehen, unseren Staatsnamen nicht zu übersetzen? Sollen wir Kanzlerin Merkel oder Präsident Donald Trump zwingen, beispielsweise Severna Makedonija (Nordmazedonien) zu sagen? Das wäre international beispiellos.
SPIEGEL: Griechenland verlangt ebenso, dass Mazedonien den Namen in seiner Verfassung ändert - also auch intern der Name nur mit Zusatz benutzt wird.
Zaev: Dieser Name ist unser Stolz und unsere Identität. Ich sehe keinen Grund für die Forderung, ihn in der Verfassung zu ändern, das wäre nicht vereinbar mit unserer Würde. Griechenland braucht einen verlässlichen Partner, keinen Partner ohne Würde. Eine Verfassung kann geändert und Änderungen können auch wieder rückgängig gemacht werden. Die wichtigste Garantie für Griechenland ist doch, dass die Lösung des Namensstreits gültig ist. Dafür sind internationale Verträge zuständig, die ratifiziert und anschließend auch in internationalen Gremien gültig sind.
SPIEGEL: Sie sind Griechenland in anderen Fragen zumindest symbolisch entgegengekommen: Die Denkmäler Ihrer Vorgänger-Regierung sollen entfernt werden, der Flughafen und die Autobahn in Richtung Griechenland, die den Namen "Alexander der Große" trugen, wurden umbenannt. Planen Sie weitere Gesten?
Zaev: Vorläufig nicht, aber natürlich sind wir bereit, über alle Probleme, die es gibt, zu sprechen. Beispielsweise werden wir uns künftig in gemeinsamen Kommissionen um die Neubearbeitung der Geschichtsbücher für den Schulunterricht kümmern.
SPIEGEL: Was würde es bedeuten, wenn es nach 27 Jahren erneut keine Lösung gibt?
Zaev: Ich erlaube mir gar nicht daran zu denken, dass es keine Lösung im Namensstreit geben könnte. Unser Land spielt in der Westbalkan-Region eine zentrale Rolle. Wir sind ein multiethnisches Land, wenn bei uns Unruhe und Instabilität herrschen, dann strahlt das auch auf die gesamte Region aus. Wir müssen diesen Streit lösen, nur dann können wir uns weiterentwickeln, in die EU integrieren und zu einem prosperierenden und guten Rechtsstaat werden. Das ist gut für die gesamte Region. Ein Scheitern ist undenkbar, für Mazedonien, für die gesamte Westbalkan-Region und insofern auch für die EU.
Zur Person
Zoran Zaev ist seit Juni 2017 Premierminister von Mazedonien. Der 43-Jährige gilt als sozialdemokratischer Reformer. Er ist studierter Wirtschaftswissenschaftler und spezialisiert auf Finanzökonomie, wurde 2005 Bürgermeister seiner Heimatstadt Strumica, die unweit der Grenze zu Bulgarien und Griechenland liegt. Er will Mazedonien in die EU und Nato führen.
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