28/4/2018
Von Thomas Mayer*
Nie hat Europa so viel Geld mit so wenig Erfolg ausgegeben wie in Griechenland. Bessere Zeiten für das Land sind nicht in Sicht.
Αls dem griechischen Staat vor ziemlich genau acht Jahren die Pleite drohte, sprachen viele von einer griechischen Tragödie. Schnelle Rettungsmaßnahmen und langfristige Anpassungsprogramme sollten die Tragödie abwenden und für ein Happy End sorgen. Mit gebührendem zeitlichem Abstand lässt sich nun feststellen, dass die Hilfe von außen erst dafür gesorgt hat, dass sich die griechische Tragödie in vollem Umfang entwickeln konnte.
Als abschreckendes Beispiel für die katastrophalen Folgen einer zügellosen Verschuldung und falscher Therapie wird von Ökonomen die Depression der 1930er Jahre in den Vereinigten Staaten genommen. Nach dem Platzen der Aktienpreisblase im Oktober 1929 schrumpfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 1933 um 27 Prozent. Die Arbeitslosenrate stieg von ihrem Tiefpunkt im Jahr 1926 bis 1933 um 23 Prozentpunkte und die Konsumentenpreise fielen zwischen 1928 und 1933 um 25 Prozent.
In ihrer berühmten Manöverkritik der amerikanischen Geldpolitik („A Monetary History of the United States“) haben Milton Friedman und Anna Schwartz die amerikanische Notenbank Fed für die desaströsen Folgen des Börsen-Crashs verantwortlich gemacht. Die Fed habe zugelassen, dass die durch den Crash ausgelösten Pleiten vieler Banken das von ihnen über Kreditvergabe geschaffene Giralgeld zerstört habe. Dadurch schrumpfte die Geldmenge, so dass die Wirtschaft in Depression und Deflation fiel. Das wollte der frühere Fed-Vorsitzende Ben Bernanke in der jüngsten Finanzkrise 2008 vermeiden, indem er die Zentralbankgeldmenge massiv ausweitete.
Die Depression in Amerika dauerte vier Jahre (1930-33). Von 1933 bis 1937 stiegen das reale BIP um 44 Prozent und die Konsumentenpreise um 11 Prozent. Die Arbeitslosenrate fiel um 11 Prozentpunkte. Ein wesentlicher Grund für die Erholung war eine lockere Geldpolitik, die mit der Abwertung des Dollar gegenüber Gold durch die Roosevelt-Regierung 1934 durchgesetzt wurde. Schon 1936 lag das reale BIP über seinem Hochpunkt im Jahr 1929, obwohl die Arbeitslosenrate und das Konsumentenpreisniveau ihre Vorkrisenniveaus noch nicht erreicht hatten.
Griechenland und die Geldpolitik
Denjenigen, die die damalige Depression in Amerika als wirtschaftlichen GAU betrachten, muss die Entwicklung in Griechenland seit 2010 als Super-GAU vorkommen. In Griechenland fiel das reale BIP zwischen 2007 und 2013 um 26 Prozent. In den folgenden vier Jahren stieg es dann allerdings nur um 1,5 Prozent. 2017 lag das BIP also immer noch 25 Prozent unter seinem letzten Hochpunkt. Die Arbeitslosenrate stieg um 20Prozentpunkte und ist seit ihrem Hochpunkt nur um 6 Prozentpunkte wieder zurückgegangen. Die Konsumentenpreise fielen zwischen 2012 und 2016 um 5 Prozent und sind seither um rund 1 Prozent wieder angestiegen. Hatte der Verlauf der Depression in Amerika die Form des Buchstabens V, so muss man den Verlauf der griechischen Depression mit dem Buchstaben L beschreiben.
Unter all den Gründen, die man für die unterschiedlichen Entwicklungen in Amerika damals und in Griechenland heute anführen kann, dürfte der wichtigste die Geld- und Wechselkurspolitik sein. In den Vereinigten Staaten erlaubte die Abwertung des Wechselkurses 1934 eine Expansion der Kreditvergabe und damit der Geldschöpfung. Der positive Kreditimpuls stimulierte das Wachstum. Eine ähnliche Entwicklung wurde in Griechenland durch das Festhalten an der Mitgliedschaft in der Eurozone verhindert. Die Rettungskredite der anderen Euroländer und die Liquiditätshilfen der Europäischen Zentralbank konnten zwar einen „Grexit“ abblocken, waren aber nicht in der Lage, der Wirtschaft einen expansiven Kreditimpuls zu geben.
Die Retter stehen heute vor einem Scherbenhaufen: Die Wirtschaft ist um ein Viertel geschrumpft, die Staatsschuldenquote ist (trotz Schuldenschnitt) auf 179 Prozent des BIP gestiegen und die Banken sind marode. Die Hilfskredite (einschließlich der Kredite des Eurosystems über das Interbankzahlungssystem Target2) betragen 164 Prozent des BIP. Wohl nie ist in der Geschichte der internationalen Finanzhilfe mehr Geld mit weniger Erfolg ausgegeben worden.
Der Grund für die desaströse Hilfe ist die von Frankreich und Deutschland zum Dogma erhobene Politik, dass kein Land aus der Währungsunion ausscheiden darf, auch wenn die Mitgliedschaft seine Wirtschaft zerstört. Im Fall Griechenlands konnte das Dogma unter hohen Kosten für alle Beteiligten durchgesetzt werden. An Italien, das ähnliche Abwehrreaktionen gegen den Euro zeigt, wird es wohl scheitern. In der nächsten Rezession dürfte „Italexit“ der einzige Ausweg aus einer Schulden- und Wirtschaftskrise sein.
* Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und Professor an der Universität Witten/Herdecke.
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