17/8/2014
Die hohe Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen schade den europäischen Nachbarländern, sagt EU-Kommissar Lazlo Andor. Die Gehälter müssten steigen – und die Regierung sollte mehr Geld ausgeben.
Der ungarische Ökonom Lazlo Andor, 48, gehört der sozialistischen Partei seines Landes an. Seit 2010 ist er Sozialkommissar der Europäischen Union. Nun äußert er sich zur deutschen Lohndebatte.
Welt am Sonntag: Herr Kommissar, was kann Deutschland tun, damit die Wirtschaft in Europa wieder Fahrt aufnimmt?
Lazlo Andor: Deutschland spielt als Volkswirtschaft eine große Rolle in Europa und trägt damit auch eine besondere Verantwortung. Es wäre sehr wichtig, dass Deutschland die öffentlichen Investitionen deutlich ausbaut, die Nachfrage steigert und die exzessiven Exportüberschüsse, die anderen europäischen Nachbarländern schaden, reduziert. Dazu ist aus Sicht der EU-Kommission auch eine Änderung der Lohnpolitik erforderlich. Seit nunmehr zehn Jahren bleiben die Lohnzuwächse in Deutschland stark hinter der Produktivitätsentwicklung zurück. Die deutsche Volkswirtschaft verzeichnete signifikante Produktivitätssteigerungen, im Vergleich dazu verlief die Lohnentwicklung leider relativ schwach.
Welt am Sonntag: Was raten Sie der Bundesregierung?
Andor: Es wäre besser, wenn die Löhne in Übereinstimmung mit der Produktivität wachsen würden. Natürlich wird sich die EU-Kommission nicht in das Mikromanagement der nationalen Lohnpolitik einmischen, aber wir können feststellen, was richtig und was falsch ist. Auch in einigen Krisenländern gab es Fehlentwicklungen. Dort waren die Lohnzuwächse deutlich höher als die Steigerung der Produktivität. Das geht auch nicht.
Welt am Sonntag: Die EU-Kommission beobachtet jetzt neben der Wirtschafts- und Finanzpolitik auch die soziale Entwicklung in den Mitgliedstaaten. Warum?
Andor: Wir müssen uns künftig intensiver mit sozialen Problemen auseinandersetzen und die Arbeits- und Sozialpolitik in der EU enger koordinieren. Dazu ist es notwendig, wesentliche beschäftigungs- und sozialpolitische Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und anzugehen.
Welt am Sonntag: Welche Entwicklungen untersucht Brüssel?
Andor: Es ist wichtig, neben der Entwicklung der nationalen Haushalte oder Inflationsraten auch die Arbeitslosigkeit, die Einkommensentwicklung, das Armutsrisiko und die sozialen Ungleichheiten in den Euro-Ländern zu überwachen und Grenzwerte dafür festzulegen. Sollten die Grenzwerte überschritten werden, so wäre das ein Hinweis auf Fehlentwicklungen, die wir sehr genau beobachten müssen.
Welt am Sonntag: Hätten die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) in den Euro-Krisenstaaten wie Griechenland oder Spanien womöglich einen anderen Reformkurs einschlagen sollen?
Andor: Es wurden wichtige Reformen durchgeführt, auf dem Arbeitsmarkt, im Ausbildungswesen, in der öffentlichen Verwaltung und in der Rentenversicherung. Das alles war notwendig, die griechische Politik hätte all dies viel eher selbst machen müssen. Ich bezweifele aber, dass es gut ist, pauschal auf drastischen Lohnkürzungen zu beharren und damit die sozialen Probleme weiter anzuheizen. Die Austeritätspolitik der vergangenen Jahre hat in vielen Ländern der Eurozone die ökonomische Krise verschärft.
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