11/11/2014
Europoly - Wasserprivatisierung in der EU
In den Krisenstaaten Europas wird ein gigantisches Monopoly um Staatsbesitz gespielt. Dabei treiben die Kreditgeber auch die Privatisierung von Wasserwerken voran - obwohl die EU dazu offiziell eine neutrale Haltung einnimmt. Ein Lagebericht aus Griechenland und Portugal.
Diese Reportage ist Teil des Multimediadossiers "Europoly - Privatisierung unter der Troika" über die Folgen der Notverkäufe in den EU-Krisenstaaten. Zum Dossier geht es hier.
Er, der die ganzen letzten Wochen in einer Tour auf Menschen eingeredet hat, kann es gar nicht fassen. Kostas Marioglou ist sprachlos. Es ist der 18. Mai 2014 und 213000 Einwohner von Thessaloniki haben gegen die Privatisierung des Wasserwerks gestimmt.
Das ist bei einer Wahlbeteiligung von etwa vierzig Prozent eine fast einstimmige Entscheidung für Nein. Marioglou hat gewonnen.
Dabei sah es nur wenige Tage zuvor gar nicht gut aus: Allein saß Marioglou im Gemeindezentrum eines Arbeiterbezirks von Thessaloniki. Neben sich aufgebaut hatte er einen Beamer, sogar Mikrofone hatte er mit hier hoch auf die Hügel über der Stadt gebracht, falls es im Publikum so laut werden sollte, dass sonst niemand mehr etwas versteht. Doch am Ende kamen nur fünf Leute. Und die wollten eigentlich auch nur schnell ein paar Flugblätter einstecken und weiter. Marioglou drückte auf den Ausschaltknopf des Beamers und fragte leise: „Wie soll ich die Leute nur dazu bewegen, sich zu engagieren?“
Marioglou kämpft schon lange gegen die Wasserprivatisierung in seiner Heimatstadt. Er hat Plakate geklebt und an Straßenständen versucht, andere zu überzeugen. Dass ein Verkauf des Wasserwerks keine Arbeitsplätze bringen sondern viele kosten werde, dass die Wasserpreise steigen würden und die Qualität schlechter werde. Denn beim Europoly gilt ebenso wie beim klassischen Monopoly: Wenn das Wasserwerk erstmal verkauft ist, muss der Staat für die Benutzung zahlen. Jedes Mal, wenn er das Feld betritt. Marioglou hat Beispiele für verunglückte Verkäufe gebracht aus Frankreich, London und Berlin. Er war mal Gewerkschaftsvorsitzender der EYATH, dem Wasserwerk von Thessaloniki. Der Staat besitzt 74 Prozent der Anteile, 51 Prozent will er verkaufen. Irgendwann hat Marioglou dann sogar eine Initiative gegründet, mit der er das Wasserwerk selbst kaufen will.
Marioglous „Bewegung 136“ hat ausgerechnet, dass jeder Anschluss in Thessaloniki 136 Euro zahlen müsste, um gemeinsam das Wasserwerk zu kaufen und als Genossenschaft zu betreiben. Doch die Mobilisierung verlief schleppend, denn die Wasserprivatisierung ist in der griechischen Bevölkerung kein so empfindliches Thema wie in anderen EU-Ländern. Der Wasserpreis ist einer der niedrigsten in ganz Europa. Der Treuhandfonds hat die Bewegung dann vom Bieterverfahren ausgeschlossen, Favorit für den Verkauf soll das französische Unternehmen GDF Suez sein, das schon heute etwa fünf Prozent des Werks besitzen. Für den französischen Konzern gilt in diesem Spiel: je mehr Werke, desto größer der Profit. Auch am Athener Wasserwerk soll einer der größten Wasserkonzerne Europas interessiert sein.
Irgendwie haben Marioglou und seine Kollegen es dann doch geschafft, die Menschen zur Abstimmung zu bewegen. Und einige Monate nach dem gewonnenen Referendum stehen die Chancen für die Anti-Privatisierer gut: Die griechische Regierung hat das Referendum zwar wie angekündigt nicht anerkannt. Doch das oberste griechische Gericht des Landes hat kurz darauf entschieden, dass die Übertragung der Anteile des größten Wasserwerks des Landes in Athen (EYDAP) an den Treuhandfonds nicht rechtens war. Die Entscheidung zur Privatisierung „gefährde die öffentliche Gesundheit“, begründeten die Richter ihr Urteil. Der Staat erhält seine Anteile vom Fonds zurück. Die Situation in Athen ist ähnlich wie die in Thessaloniki, auch wenn die Vorbereitungen zur Privatisierung hier noch nicht so weit vorangeschritten sind. Die Suche nach einem potentiellen Käufer der Staatsanteile liegt seitdem offiziell auf Eis – auch in Thessaloniki.
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