5/12/2018
Von Heribert Prantl
Merz ist Schäubles Revanche an Merkel für tiefsitzende Kränkungen. Das ist nachvollziehbar, souverän ist es nicht.
Vier große Fehler hat Wolfgang Schäuble bisher in seinem langen und beeindruckenden politischen Leben gemacht; seine offensive, massive und verbissene Werbung für Friedrich Merz ist der fünfte Fehler: Schäuble will Merz zum Parteivorsitzenden, zum Kanzlerkandidaten und zum Kanzler machen. Der Machtkampf mit Merkel, den er bisher stets vermieden hat - das ist er nun; es ist ein Machtkampf über die Bande und zur Unzeit.
Schäuble, am Ende seiner Laufbahn, tritt an gegen eine Kanzlerin am Ende ihrer Laufbahn. Merz ist Schäubles Revanche an Merkel für tief sitzende Kränkungen. Das ist nachvollziehbar, souverän ist es nicht. Das spaltet die CDU über den Parteitag hinaus. Und es passt so gar nicht zum Bild, das Schäuble zuletzt von sich gemalt hat: Es war ein Bild der Gelassenheit und Zufriedenheit.
Aber das stimmte und stimmt nicht; das wiederum hat auch mit den ersten vier großen politischen Fehlern Schäubles zu tun. Der erste große Fehler war sein Eintreten für eine Generalamnestie der Steuerbetrüger und Schmiergeldempfänger im Flick-Skandal der Achtzigerjahre; Schäuble propagierte die Amnestie damals, um Schaden von Helmut Kohl abzuwenden; er tat dies also aus Loyalität. Sein zweiter Fehler war die Zögerlichkeit und Unvollständigkeit seiner Erklärungen zu einer 100 000 Euro-Spende des Waffenhändlers Schreiber; Schäuble hatte das Geld zwar Mitte der Neunzigerjahre ordentlich bei der Parteikasse abgeliefert, seine Dummheit bestand aber darin, dass er den Vorgang dann im Trubel des Kohl-Spendenskandals, da war Schäuble CDU-Chef, wochenlang verschwieg. Schäubles dritter Fehler war es, dass er Helmut Kohl viel zu lange vertraute. Er hat sich an die Loyalitätsdevise gehalten, dass man ein Amt nicht nutzt, um gegen den zu arbeiten, der einen ins Amt berufen hat. Merkel hielt sich daran im entscheidenden Augenblick nicht - deshalb ist sie Kanzlerin geworden, und Schäuble wurde erst ihr Innen- und dann ihr Finanzminister. Als Finanzminister machte Schäuble seinen vierten Fehler, indem er, der ansonsten so überzeugte Europäer, Griechenland mit aller Kraft aus dem Euro drängen wollte. Wenn die Kanzlerin nicht gegengesteuert hätte, hätte Schäuble die bisherige EU gesprengt. Er fügte sich. Er war loyal.
Nun, am Ende seiner Laufbahn, ist er es nicht mehr. Der sehr offensive Versuch, Merz zu installieren und damit Merkels Wunschkandidatin Kramp-Karrenbauer zu verhindern - es ist Schäubles Revanche. Merz verschafft Schäuble Befriedigung: Befriedigung dafür, dass er nicht Kanzler geworden ist. Befriedigung dafür, dass Merkel ihn nicht hat Bundespräsident werden lassen. Befriedigung dafür, dass er nicht Euro-Gruppen-Chef wurde. All das nagt, und es wäre ein Wunder, wenn es nicht so wäre. Aber gut ist es nicht, dass Schäuble nun der inneren Nagerei nachgibt. Theo Waigel hat einmal über Schäuble gesagt: Wer ein so schwieriges Leben meistert, hat auch die Kraft, einen Staat zu führen. Schäuble hätte das gekonnt; er wäre ein guter Kanzler geworden. Er wollte es auch werden, und zwar zu Recht. Es war ihm nicht vergönnt. Weil er Kanzler nicht werden konnte, will er jetzt, am Ende eines sisyphosischen Berufslebens, wenigstens Kanzlermacher sein. Die Art und Weise, wie er das tut, ist verstörend.
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