Τετάρτη 26 Μαΐου 2021

„Die Rückkehr zur D-Mark wäre ein echtes Problem“


31/3/2013

Von Jan Dams, Carsten Dierig

In der Euro-Krise solle die Bundeskanzlerin hart bleiben, meint Ulrich Grillo, der neue Präsident des BDI. Jedoch übt er scharfe Kritik am planlosen Vorgehen der Politik bei der Energiewende.

Welt am Sonntag: Herr Grillo, wie oft werden Sie auf Ihren Namensvetter Beppe angesprochen, der bei den italienischen Wahlen so überrascht hat?

Ulrich Grillo: Mal ehrlich, die Ersten sind Sie nicht.

Welt am Sonntag: Sind Sie verwandt?

Grillo: Weder verwandt noch verschwägert. Anfang des 17. Jahrhunderts sind die hiesigen protestantischen Grillos aus religiösen Gründen aus Italien geflüchtet. Ich bin bereits Vertreter der elften Generation hierzulande.

Welt am Sonntag: Mit Grillo erhalten die Euro-Gegner in Italien starken Einfluss auf die Politik. In Zypern brennt es lichterloh. Ist Europa noch zu retten?

Grillo: Ja, klar, die Euro-Krise lässt sich managen. Davon bin ich fest überzeugt. Dass eine Lösung für Zypern gefunden werden konnte, noch dazu bei Verschonung der Kleinsparer, ist ein wichtiges Vertrauenssignal. Trotzdem muss Zypern ein Einzelfall bleiben. Und wir müssen aufpassen: Die ständige Krisenhektik mit Feuerwehraktionen und Kompromissen in allerletzter Minute kann auf Dauer nicht gut gehen. Wir wollen den Euro, wir wollen ein starkes Europa. Wir brauchen dafür eine Fiskalunion. Es fehlt ein nachhaltiges Konzept für Wachstum und Beschäftigung in Europa, besonders für die Krisenländer. Leistung kann es nicht ohne Gegenleistung geben. Und wer sich nicht an diese Logik hält, muss wirksame Sanktionen zu spüren bekommen.

Welt am Sonntag:: Haben Sie das Gefühl, es geht in Richtung Fiskalunion voran? Oder verzögert die Bundesregierung die Entwicklung, weil sie im Wahljahr die Unbeliebtheit des Themas fürchtet? Fiskalunion heißt schließlich mehr Vergemeinschaftung.

Grillo: Sicher, die Frage, wie viel Macht nach Brüssel abgegeben wird, ist noch zu diskutieren. Dennoch: Wir müssen von nationalen Egoismen wegkommen. Wir brauchen endlich stabile europäische Rahmenbedingungen. Nur die schaffen Vertrauen.

Welt am Sonntag: Ist die Bundesregierung im Wahljahr 2013 auf dem richtigen Weg?

Grillo: Wahlkampfzeiten sind besondere Zeiten. Wahlkampf ist ein Wettlauf von Ideen, sei es in der Steuer- oder Energiepolitik, sei es beim Thema Europa und Fiskalunion. Die Parteien müssen aufpassen, dass sie sich nicht allein von kurzsichtigen Wahlkampffragen leiten lassen. Nicht nur Wähler brauchen Orientierung und Verlässlichkeit. Unternehmen brauchen das auch.

Welt am Sonntag: Hat Deutschland wichtige Verbündete wie Frankreich verprellt, weil die Bundeskanzlerin im französischen Wahlkampf für Nicolas Sarkozy und nicht für den Sozialisten François Hollande gekämpft hat?

Grillo: Wir haben unsere Partner Frankreich und Italien nicht verloren, die Wirtschaft arbeitet gut zusammen. Auch Nicolas Sarkozy war nicht von Anfang an ein enger Vertrauter Deutschlands, sondern erst nach einigen Jahren der Zusammenarbeit. Das wird mit Frau Merkel und Herrn Hollande hoffentlich ebenso laufen. Regierungswechsel bleiben nicht aus bei einem Zusammenschluss von 27 Demokratien.

Welt am Sonntag: Haben die Franzosen den Ernst der Lage noch nicht begriffen? Sind sie zu faul, wie ein US-Investor kürzlich in einem offenen Brief kritisierte?

Grillo: Nein. Die Grillo-Werke haben eine kleine unternehmerische Beteiligung in der Nähe von Lyon mit gut 100 Mitarbeitern. Das ist eine super Belegschaft.

Welt am Sonntag: Ist Deutschland auf europäischer Ebene zu dominant und stößt damit die Partner vor den Kopf?

Grillo: Aufgrund unserer wirtschaftlichen Stärke fällt uns quasi automatisch eine Führungsrolle zu. Dazu gehört dann auch, Notwendigkeiten zu benennen, was sich in Europa noch alles verbessern muss. Dominant würde ich das nicht nennen. Die Positionen der Bundesregierung sind nicht bequem, aber sie bringen Europa voran. Beim Schuldenabbau und in den Leistungsbilanzen in einigen Krisenländern gibt es bereits Fortschritte. Deshalb muss die Kanzlerin in der Sache hart bleiben. Europa wird nicht gesunden, wenn Deutschland schwächer wird. Es dauert seine Zeit, Sanierungsfälle nachhaltig in den Griff zu bekommen, bei Firmen und erst recht bei Staaten. Die Krise ist noch lange nicht ausgestanden.

Welt am Sonntag: Was bedeutet die anhaltende Unsicherheit in Europa für die deutsche Wirtschaft?

Grillo: Die Firmen können inzwischen mit der Unsicherheit besser umgehen. Der BDI rechnet für dieses Jahr mit einem Wachstum von bis zu 0,8 Prozent. Klar ist aber auch, dass der Erfolg der deutschen Wirtschaft eng mit der Lage in Europa verbunden ist. Zwar sind unsere Unternehmen auch stark in Asien und Amerika. Die EU-Länder gehören aber nach wie vor zu den wichtigsten Exportmärkten. Umso wichtiger ist der Euro. Die Rückkehr zur D-Mark wäre ein echtes Problem für unsere Wettbewerbsfähigkeit. Dann ließe sich die hohe Beschäftigung in Deutschland nicht einmal ansatzweise aufrechterhalten.

Welt am Sonntag: Sie können der Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland, die sich gerade formiert, also nichts Gutes abgewinnen?

Grillo: Jeder in Deutschland kann eine Partei gründen, und jeder kann seine Meinung sagen – Gott sei Dank. Ich habe in diesem Punkt eine andere Meinung. Wir brauchen den Euro.

Welt am Sonntag: Was ist gefährlicher für die deutsche Wirtschaft: die Euro-Krise oder die Energiewende?

Grillo: Das kann man nicht vergleichen. In den Griff bekommen müssen wir beides. Bei der Energiewende muss dafür aber einiges anders laufen. Das Management ist nach wie vor nicht so, wie es sein sollte und sein könnte.

Welt am Sonntag: Was läuft falsch?

Grillo: Wir haben zu viele Köche, die im Brei herumrühren. Letztlich gibt es doch 17 Energiewenden: eine auf Bundesebene und 16 in den jeweiligen Bundesländern. So kann das nicht funktionieren.

Welt am Sonntag: Sie fordern ein Energieministerium?

Grillo: Wie dieses komplexe Projekt politisch organisiert wird, muss die Bundesregierung entscheiden. In einem Unternehmen hätte es längst eine einheitliche Projektleitung gegeben. So ein Vorgehen ist auch in der Politik möglich. Bei der Wiedervereinigung beispielsweise gab es die Treuhandanstalt, die für die Transformation der ostdeutschen Wirtschaft zuständig war. Das war sicher nicht alles erfolgreich, keine Frage, aber das Management lag in einer Hand. Eine Energiewende aus einem Guss ist eine große Chance für die deutsche Industrie. Immerhin werden dadurch nach Berechnungen des BDI bis 2030 Investitionen in der Größenordnung von 350 Milliarden Euro angeschoben, sei es für die Erzeugung der Energie oder für die notwendigen Netze und Speicher. Das sind 200 Milliarden Euro mehr als ohne Energiewende.

Welt am Sonntag: Und warum jammern Sie dann?

Grillo: Es tut weh, dass die Politik Investoren verunsichert. Damit die Investitionen getätigt werden, brauchen wir nicht nur intelligente Technik, sondern auch intelligente Rahmenbedingungen. Entscheidungen werden verzögert und verschleppt. Dadurch bleiben zu viele Fragen offen – etwa die der Bezahlbarkeit und der Kosteneffizienz.

Welt am Sonntag: Zum Wahlkampf gehört auch die Ankündigung, die Entlastung für Unternehmen aus energieintensiven Industrien zu überprüfen.

Grillo: Das ist ein Spiel mit dem Feuer. Die energieintensive Industrie ist an der Grenze der Belastbarkeit angekommen. Ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit ist höchst gefährdet. Die Kosten für Industriestrom sind in Deutschland die zweithöchsten in Europa. Da überlegt ein Unternehmer zweimal, wo er investiert. Das betrifft vor allem die Grundstoffindustrie und damit das Rückgrat im Wirtschaftskreislauf. Es ist unwahrscheinlich, dass in Deutschland noch mal ein neues Stahlwerk gebaut wird, eine große Chemiefabrik oder ein Werk für Karbonfasern. Wer die freie Wahl hat, wird leider meist woanders hingehen. In Amerika etwa ist der Strom viermal billiger als bei uns. Das summiert sich über die Lebensdauer einer Fabrik. Die energieintensive Industrie fährt ihre Investitionen bereits zurück.

Welt am Sonntag: Erklären Sie doch mal einem Geringverdiener, warum große deutsche Konzerne von der EEG-Umlage befreit oder entlastet werden müssen?

Grillo: Das produzierende Gewerbe ist lebenswichtig für das Industrieland Deutschland. Es sorgt für Steuereinnahmen und Wohlstand, schafft Arbeitsplätze und Aufstiegschancen. Wenn die Politik Industriebetriebe über Gebühr belastet, vertreibt sie einen der größten Finanziers der Energiewende. Die Unternehmen zahlen derzeit rund zehn Milliarden Euro pro Jahr und damit die Hälfte der EEG-Umlage. Wandert ein Unternehmen ab, muss dessen Beitrag von jemand anderem aufgefangen werden. Am Ende werden das die privaten Haushalte sein.

Welt am Sonntag: Würde ein Regierungswechsel etwas ändern?

Grillo: Ein Regierungswechsel schafft immer Fakten. Aber: Die Politik muss auch in den kommenden Monaten bis zur Wahl liefern.

Welt am Sonntag: Sie sind kein Verfechter von Rot-Grün?

Grillo: Ich habe keine politische Farbenlehre. Tatsächlich bin ich wirklich farbenblind. Das ist genetisch bedingt.

Welt am Sonntag: Dann können Sie die Arbeit der bürgerlichen Bundesregierung ohne Zurückhaltung bewerten.

Grillo: Das ist nicht meine Aufgabe. Wir müssen nach vorn schauen. Nur so viel: Vieles war anders angekündigt und hätte besser laufen können.

Welt am Sonntag: In Kürze steht die Hannover Messe auf Ihrem Terminkalender. Womit ist dort zu rechnen? Welche Botschaften werden Sie senden?

Grillo: Ich möchte die internationale Begeisterung für die deutsche Industrie weiter steigern. Ihre derzeitige Stärke sollte uns aber nicht übermütig stimmen. Die Unternehmen sind nur bis zu einem gewissen Grad belastbar. Das muss sich die Politik vor Augen halten und endlich die Energiewende richtig managen – ohne Wahlkampfgetöse. Wahlkampf führt zu vielen Ideen. Und nicht alle sind immer gut, aktuell etwa in der Diskussion um Managergehälter. Da gibt es einen Wettlauf um die populistischste Idee statt um Fakten und Grundsätze.

Welt am Sonntag: Es ist kein Geheimnis, dass Sie gegen die Begrenzung der Managergehälter durch den Gesetzgeber sind.

Grillo: Ich bin strikt gegen eine gesetzliche Regelung. Es ist nicht Aufgabe des Staates, ein vernünftiges System für die angemessene Bezahlung von Managern zu finden. Das muss jedes Unternehmen für sich selbst regeln. Dafür gibt es den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung.

Welt am Sonntag: In vielen Aufsichtsräten gibt es Querverbindungen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat diese Gehaltsklüngelrunden kürzlich als Grauzone bezeichnet.

Grillo: Das ist eine Verunglimpfung von Aufsichtsräten. Die leisten in aller Regel professionelle Arbeit. Wir haben ausreichend Vorschriften, teils gesetzliche, teils durch den Corporate-Governance-Kodex.

Welt am Sonntag: In Deutschland laufen die Managergehälter Ihrer Meinung nach also nicht aus dem Ruder?

Grillo: Ich maße mir nicht an, zu sagen, wie viel bei welchem Unternehmen angemessen ist. Es ist auch nicht schlecht, dass darüber diskutiert wird. Die Politik muss aber aufpassen, dass sie keine falschen Erwartungen weckt. Es kommt doch auch niemand auf die Idee, Bayern München gesetzlich zu regulieren – und da verdienen mehr Fußballer über zehn Millionen Euro im Jahr als Manager im gesamten Dax.

Welt am Sonntag: Was halten Sie davon, dass sogar Union und FDP nicht nur die Gehälter oben, sondern auch unten regulieren wollen? Lohnuntergrenzen sind ja mittlerweile auch für die FDP akzeptabel.

Grillo: Ich fordere Tarifautonomie – unten und oben. Die Bundesregierung will ja keinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, sondern branchenspezifische Lösungen. Und ehrlich: Wenn einer den ganzen Tag hart arbeitet, muss er zumindest seinen eigenen Lebensunterhalt finanzieren können.

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