18/11/2013
Von Sven Astheimer
Die SPD hätte gerne einen staatlich diktierten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Den meisten Aufstockern bringt das nichts. Und dem Steuerzahler wohl auch nicht. Eine Analyse.
Jeder Mensch muss von seiner Hände Arbeit leben können – dieser Aussage, die schon der frühere SPD-Vorsitzende und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering geprägt hat, stimmen in ihrer Pauschalität wohl die meisten Deutschen intuitiv zu. Dass der Staat jährlich Milliardensummen aus Steuermitteln aufwendet, um geringe Einkommen aufzustocken, nennen deshalb Befürworter eines allgemeinen Mindestlohns gerne einen unhaltbaren Zustand.
Aber wäre diesen „Aufstockern“ durch ein staatliches Lohndiktat von 8,50 Euro je Stunde, wie es die SPD in den Koalitionsverhandlungen mit der Union fordert, tatsächlich geholfen? Könnten Sie auf diesem Weg der Abhängigkeit vom Staat entkommen?
Es hilft der Blick auf die Fakten: Derzeit gibt es in Deutschland, die aktuellsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit stammen aus dem Juni, rund 1,317 Millionen „Aufstocker“. Das sind Personen, die neben ihrem Erwerbseinkommen noch staatliche Zuschüsse (Arbeitslosengeld II) beziehen, weil ihr Lohn einfach niedriger ist als der Anspruch auf Grundsicherung. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl leicht gesunken. Schaut man sich die Durchschnitte der vergangenen Jahre an, war die Spitze im Jahr 2010 erreicht mit 1,381 Millionen.
Auch Teilzeitkräften bringt das nichts
Mehr als 600.000 Personen und damit fast die Hälfte dieser Aufstocker gehen einem Minijob (geringfügige Beschäftigung) nach, dürfen also per Definition im Monat höchstens 450 Euro verdienen. Würde ihr Stundenlohn auf 8,50 Euro angehoben, haben einige von Ihnen diese Grenze einfach schneller erreicht. Das ist für die Betroffenen sicherlich angenehm, ändert an der Abhängigkeit vom Arbeitslosengeld II aber nichts.
Unter den etwa 570.000 sozialversichert beschäftigten Aufstockern sind ebenfalls viele Teilzeitkräfte. Auch für sie gilt, dass ohne eine Erhöhung des Arbeitsvolumens das Entkommen aus dem Hartz-IV-System kaum möglich ist.
Was zudem oft vergessen wird: Der Arbeitslosengeld-II-Anspruch richtet sich nach der Haushaltsgröße: Eine vierköpfige Familie kommt im Durchschnitt auf 1767 Euro im Monat. Mit jedem Kind steigt der Betrag. Das ist gerade für Geringverdiener selbst in Vollzeit oft nur schwer zu erreichen. Dazu müssten schon Stundenlöhne im deutlich zweistelligen Bereich her. Die derzeit dynamischste Gruppe unter den Aufstockern sind ohnehin die Selbständigen. Ihre Zahl wuchs von 72.000 im Jahr 2007 auf 126.000 im vergangenen Jahr. Gerade auf diese Gruppe hat der Mindestlohn aber keinen Einfluss.
Nur Singles können Vorteile haben
Letzten Endes bleiben rund 80.000 Singles unter den Aufstockern, die aufgrund ihres relativ niedrigen Arbeitslosengeld-II-Satzes mit einer Anhebung ihres Stundenlohns auf 8,50 Euro berechtigte Hoffnungen hegen können, den Gang zur Behörde künftig zu vermeiden. Zumindest zum Jobcenter, denn viele dürften noch weitere Ansprüche – etwa auf Wohngeld – haben.
Dazu kommen nach Schätzungen der Arbeitsagentur etwa 20.000 Paar-Haushalte ohne Kinder, die ebenfalls die Bedürftigkeit verlassen würden. Das macht zusammen rund 100.000 Personen, was jedem 13. Aufstocker entspricht. Damit könnten laut Berechnungen der Arbeitsagentur Einsparungen zwischen 0,4 und knapp einer Milliarde Euro Steuergeld erzielt werden, weil weniger Arbeitslosengeld II gezahlt werden müsste.
Die Wissenschaftler weisen allerdings deutlich darauf hin, dass die Spareffekte nur kurzfristig prognostizierbar seien, weil dauerhafte Verschiebungen im Angebots- und Nachfrageverhalten durch den Mindestlohn nicht vorhersehbar seien. Das heißt in einfachen Worten: Wenn der Aufstocker durch den Mindestlohn seine Stelle verliert, weil sie sich für den Arbeitgeber nicht mehr rechnet, dann wird es für den Steuerzahler nicht billiger, sondern teurer.
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